Sprache & Form

Jede Geschichte sucht ihre eigene Form, in der sie erzählt werden will und muss, sucht nach Sprache, Bildlichkeit, Perspektive und Rhythmus, kurz, nach dem Tonfall.

Bislang wurde gefragt, über wen erzählt wird und was erzählt wird. Jetzt heißt es: Wie wird erzählt? Und warum? Denn Tonfall und Erzählsituation hängen untrennbar zusammen mit der Motivation des Erzählers. In diesem Modul geht es darum, eine zwingende Form für die eigene Geschichte zu finden.

Gemeinsam werden wir zunächst anhand von Textbeispielen die Möglichkeiten, Nachteile und Vorteile von Perspektiven und Erzählsituationen untersuchen, aber auch, wie viele verschiedene sprachlich-rhythmische Tonarten die Literatur hervorgebracht hat, von Hemingway bis Bernhard, von Borchert bis Nabokov, ob parataktisch oder hypotaktisch, knapp oder überbordend, lakonisch oder ironisch, distanziert oder rauschhaft, salopp oder elaboriert, flüchtig oder sezierend etc.

Wesentlich sind dabei die verschiedenen Darstellungsmittel, die einem Autor zur Verfügung stehen: Raffender Bericht und szenische Darstellung; Innenweltdarstellung (Innerer Monolog, Erlebte Rede, Gedankenbericht) und Dialog; Beschreibung und Charakterisierung; Kommentar und Reflexion u.a.m. Diese Mittel der Darstellung werden auf ihre Wirkung hin untersucht und auf die Möglichkeiten, sie miteinander zu kombinieren und damit den Erzählrhythmus wechseln und den Text – auf einer formalen Ebene – dynamisieren zu können. Dabei steht natürlich immer auch die Sprache im Fokus, die Bildlichkeit eines Textes sowie allgemeine stilistische und rhetorische Möglichkeiten.

Die Teilnehmer werden sich beim ersten Termin des Moduls einerseits durch Schreibübungen mit diesen Darstellungsmitteln vertraut machen, andererseits aber auch schon versuchen, eine eigene Form für ihre Geschichte zu finden.

In den weiteren Terminen wird die Kenntnis über Formen und Darstellungsmittel erweitert. Hauptaugenmerk liegt aber jetzt auf den Romanfängen/Romanszenen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und der kritischen Überprüfung dieser Texte innerhalb der Gruppe.

Am Ende des Moduls haben die Autorinnen und Autoren einen umfassenden Überblick über wichtige Darstellungsmöglichkeiten erhalten, die dem Schreibenden zur Verfügung stehen. Sie können ihre eigenen Texte im Hinblick auf diese Formen besser verstehen. Und für ihren Roman haben die Autorinnen und Autoren einen eigenen Tonfall gefunden, der das weitere Schreiben tragen kann.

Das erworbene Wissen ist wichtig für den Schreibenden und zwar vor dem Schreiben und nach dem Schreiben. Um zu schreiben, muss ich das breite Spektrum der Möglichkeiten kennen; ebenso, um den eigenen Text kritisch zu durchleuchten, also beispielsweise, um herauszufinden, weshalb die Textstelle, die ich gerade geschrieben habe, langweilig ist: sei es, weil ein gehäufter raffender Bericht protokollhaft und hölzern wirkt, sei es, weil pausenlose szenische Darstellung wie ein Hamsterrad zur Ermüdung führt. Beim Schreiben selber allerdings darf dieses Wissen nie hemmend im Wege stehen. Daher liegt das Augenmerk in einigen Übungen (wie dem automatischen Schreiben) auch auf dem Schreibprozess, also darauf, den Fluss des Schreibens zur Entfaltung zu bringen, Blockaden zu lösen und die lustvolle Ursprungsenergie immer wieder neu zu entfachen. Denn diese Energie ist die schönste Erfahrung beim Schreiben.