Von: Sabine Ibing An: 16. Mai 2017 In: Figuren & Psychologie, Stimmen Comments: 0

Sabine Ibing ist Autorin und Mitglied der „Mörderischen Schwestern“. Sie hat sich für eine Teilnahme an der Montségur Akademie 17/18 entschieden und berichtet in ihrem Blog über das Konzept und ihre bisherigen Erfahrungen. Ein Link auf den vollständigen Bericht findet sich am Ende des Textes.


 

SabineIbingEntweder man kann schreiben oder man kann es nicht. Das ist die Einstellung einiger Schriftsteller. Ich habe früher Malkurse gegeben, Zeichnen auf Seide. Und ich meine damit nicht Farbgitter ausmalen, die vorher mit dem Gummizeugs, Gutta, abgegrenzt wurden, ich meine zeichnen! Die Leute staunten, denn ich begann den Kurs mit Lockerungsübungen, Wassertechniken auf Aquarell, Perspektive. Die Teilnehmer wurden ungeduldig … Später haben sie begriffen, warum. Technik ist der Untergrund jeglichen Zeichnens. Stil und Talent machen dann die Persönlichkeit aus.

Was hat Zeichnen mit Schreiben zu tun? Manch einer hat einen Plan beim Schreiben, grob oder fein, ein anderer schreibt aus dem Bauch heraus. Letzterer kann sich schnell verzetteln. Früher war ich ein Grobplaner, heute ein Feinplaner, für meine Figuren habe ich seit dem ersten Roman einen Lebenslauf geplant, von Geburt an. Es hat mir nie gereicht, nach Datenbanken (Größe, Haarfarbe, Kleidung …) zu arbeiten. Gut, ich habe mein gesamtes Berufsleben mit schwierigen Menschen gearbeitet, kenne psychische Abgründe, Misshandlungen, Krankheiten, weiß, wie das Leben einen Menschen verändert. Und ich bin mir sicher, wenn ich eine Figur glaubhaft darstellen will, muss ich sie durchweg kennen, verstehen. Ich habe Sol Stein gelesen, „Über das Schreiben“ und auch zwei Bücher über das Drehbuchschreiben: „Das Drehbuch“ von C.P. Hant und „Vom Buch zum Drehbuch“ von Linda Seger. Warum Drehbuch? Hier habe ich im Prinzip gefunden, was ich suchte: Wie schärfe ich einen Plot? Ich schaute neidisch auf die Angelsachsen, die Studiengänge zum Creative Writing anbieten. Ich suchte nach Kursen im deutschsprachigem Raum, die mir jedoch nicht zusagten. Und eines Tages bot die „Montségur Akademie“ etwas an, das meine Augen aufleuchten ließ: Professionelle Ausbildung über zwei Jahre, von der Entwicklung und Analyse der Figuren, über die Strukturierung, die Dramaturgie, der stilistischen und sprachlichen Ausarbeitung für Autorinnen und Autoren mit professionellem Anspruch. Ich bewarb mich mit meinem Romanprojekt, Beschreibung und Textprobe und einer Textaufgabe. Im Dezember erhielt ich die Zusage und begann im Januar 2017.

Da saßen wir nun zusammen, 8 AutorenIinnen. Warum werden so wenig TeilnehmerIinnen aufgenommen? Die Arbeit der Dozenten ist nicht mit den WE-Seminaren beendet, sondern sie betreuen uns intensiv in der Zwischenzeit. Dazu später. Sieben Frauen, ein Mann, zwei Liebesgeschichten, ein Roadmovie, dreimal historischer Backgrund, ein Thriller, einmal Fantasy, ein klassischer literarisch-musikalischer Hintergund, eine Lebensgeschichte, ein Drama, aus den Genren Gesellschaftsroman, historischer Roman, Jugendliteratur, All-Age, Crime, eine bunte Mischung fand sich zusammen, einige hatten bereits Bücher veröffentlicht. Es sei gleich vorweggesagt, jeder der Teilnehmer, kann gut schreiben! Aber jeder war der Überzeugung, dass man nie genug wissen kann, und Handwerk ausgesprochen hilfreich ist. Das erste Modul ist nun abgeschlossen, hier mein Bericht.

Figuren & Psychologie – Dozentin: Bettina Wüst

Wie wurden die Inhalte transportiert und was hat es mir persönlich gebracht? Bettina versteht nicht nur viel vom Fach, sie schafft im Seminar eine respektvolle Atmosphäre, miteinander zu arbeiten, hat ein eigenes Konzept zur Erarbeitung von Figuren entwickelt, das speziell für Schriftsteller gestaltet ist, abgeleitet von der Transaktionsanalyse. Nachdem wir unseren Storykompass gefunden hatten, die Figuren nach der Transaktionsanalyse abgeklopft hatten, Egogramme entwickelten, kamen wir zum Konflikt-Handlungsziel, dem Dramadreieck, Psychospielchen, den Antreibern und den Einschärfungen. Zwischen den Seminaren wurden wir ordentlich mit Hausaufgaben bepackt bezüglich unserer Protagonisten, Antagonisten und Nebenfiguren. Das Erlernte sollte natürlich angewandt werden. Intensiv befassten wir uns mit unseren Figuren. Wie denken, fühlen, handeln sie, was ist ihre Lebensgeschichte, wovon werden sie getrieben? Wir arbeiteten im Tandem, mit zwei Draufsichten. Die Hausaufgaben wurden von Bettina und dem jeweiligen Tandem gelesen und durch Nachfragen weiter ausgebaut. Zwischendurch stellten alle Teilnehmer ihr Projekt der Gruppe vor. Auch hier wurden Fragen gestellt zu Punkten, die vielleicht noch etwas mehr ausgearbeitet werden sollten.
Die Mischung macht es … Theorie, Workshop, Teamarbeit, Arbeit im Kämmerchen und die fantastische Betreuung durch Bettina im Kurs, in den Zwischenphasen das persönliche Feedback zu den Hausaufgaben. Eins muss ich noch erwähnen, weil alle Seminarteilnehmer darüber glücklich waren: Die Auseinandersetzung mit den Figuren gibt einen Plopp im Kopf, Ideen sprudeln nur so heraus, es macht Spaß zu schreiben und die Geistesblitze wollen gar nicht enden. Und noch etwas: Der Allerwerteste wird hochgehoben, für die Hausaufgaben gibt es Deadlines, man kann seine Faulheit nicht vor sich selbst entschuldigen, Abgabe bis 17.05. um 17:17 Uhr!

Zusammenfassend kann ich für mich sagen, ich habe ziemlich viel aus diesem Seminar mitgenommen, mehr als ich erwartet habe. Sollte ich jemals eine Schreibblockade bekommen oder mir über eine Figur nicht im Klaren sein, weiß ich, welche Schreibaufgaben ich mir stelle, um meiner Figur näher zu kommen. Und ich werde alle Figuren auf Stimmigkeit nach diesen Modellen abklopfen.
Ich sehe schon die Frage: Warum zuerst die Figuren? Ein Plot schwirrt in meinem Kopf herum … natürlich stellt sich zunächst die Frage: Was für ein Typ macht denn sowas? Was für ein Typ würde sich sowas gefallen lassen? Was für ein Typ würde sich sowas trauen? Was für ein Ekelpaket muss man sein, um das zu tun? Was für einen Typen könnte ich zu so einem Deal/Abenteuer überreden? Was war zuerst? Die Henne oder das Ei? Plot oder Figur? Eindeutig Figur!

Nun nun geht es weiter, ich freue mich drauf!

© Sabine Ibing