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Von: Bettina Wüst An: 2. November 2019 In: Allgemein, Mentoren Comments: 0

Frau Langohr, Ihre Erfahrungen im Literaturbetrieb sind weit gefächert, unter anderem waren Sie auch im Buchhandel engagiert bevor sie als Agentin tätig wurden. Wie aufregend ist es für Sie, nun quasi mitbeeinflussen zu können welche Bücher im Handel landen?

Ich empfinde meinen Job nicht nur als sehr aufregend, sondern im Idealfall auch noch sehr befriedigend. Wenn am Markt aufgeht, was ich mir zu einem Manuskript gedacht habe und bei dem der/die Autor/in mitgehen konnte, bin ich glücklich. Wobei ich denke, dass mir mein eher durchschnittlicher Lesegeschmack hier zu Gute kommt. Ich dürfte über die vielen Jahre, die ich als Buchhändlerin gearbeitet habe, viel über Lesegewohnheiten meiner KundInnen lernen und habe so ein Gespür entwickelt, worauf es ankommt.

Dörte Hansen und der Kern einer Geschichte

Sie gelten als Entdeckerin von Dörte Hansen, deren Romane „Altes Land“ und „Mittagsstunde“ sowohl vom Feuilleton als auch von Lesern (mich eingeschlossen) begeistert aufgenommen wurden. Woran haben Sie erkannt, dass Sie mit diesem Manuskript eine Perle in der Hand hatten?

Am Thema, am Stil, am Wording, an der Intensität und Authentizität, am Lesegefühl, an der Fähigkeit der Autorin, Gedanken und Erlebtes in Sprache zu verdichten. Dörte Hansen ist eine echte Ausnahmenautorin, die ihr Handwerk auf besondere Weise beherrscht, da sie willens und in der Lage ist, sich durch viele Ebenen zum Kern ihrer Gedanken durchzukämpfen. Das ist Schwerstarbeit. Was Dörte Hansen zu Papier bringt, sitzt. Ihre Texte zu lesen ist wie ein Aufräumen dessen, was wir in Natur, Umwelt, Zeitgeist und auch als ein diffuses Zeitgefühl erleben: all diese komplexen Dinge werden bei ihr klar, verständlich, nachvollziehbar. Von dort aus kann dann beim Lesen auf hohem Niveau weitergedacht und reflektiert werden. Gepaart mit ihrem wunderbaren Humor haben wir eine Kombination, die Unaussprechliches und Unangenehmes zu einem echten Lesegenuss mit Nachhaltigkeitsbewusstsein macht. Das ist einfach wunderbar!

Wenn wir nun die heilige Dreifaltigkeit eines Romans betrachten, also Dramaturgie, Figuren, sprachliche/stilistische Umsetzung, gibt es einen Aspekt, auf den Sie besonderen Wert legen?

Ich denke, es ist die adäquate Kombination aus diesen drei Aspekten, alles muss zusammenpassen und sich wie aus einem Guss anfühlen. Sahne auf Kuchen ist prima, auf Pommes mit Schnitzel allerdings ein echter Albtraum. Ähnliches gilt für Salz, ohne das in der kulinarischen Küche gar nichts gehen würde. Wer aber versehentlich den Salzstreuer beim Kaffeetrinken erwischt hat, wird damit nicht froh werden.
Deshalb ist es wichtig die Figuren mit Stil und Dramaturgie in einen in sich geschlossenen, harmonischen Klang zu bringen. Wobei – Achtung – ich auch immer auf der Suche nach guten Disharmonien bin.

Unsere TeilnehmerInnen schreiben Romane verschiedener Genres. Können Sie einschätzen, welche Genres momentan besonders gesucht sind und welche es eher schwer haben?

Ich verstehe die Motivation hinter der Frage, kann sie allerdings nicht guten Gewissens beantworten. Wenn das Manuskript gut ist, kann ich alles anbieten. Und es ist immer dann gut, wenn der Autor komplett hinter seinem Werk steht. Wenn er schreibt, was er schreiben will und muss. Ich finde es immer schwierig, Autoren auf eine Reise zu schicken, die sie eigentlich nicht antreten wollen. „Schreib doch mal was über deutsche Beamte in den 60er Jahren“ macht wenig Sinn, wenn da eine/r keinen Bezug dazu hat und eigentlich lieber etwas über Surfen in der Antarktis im Kopf hat.
Dennoch: Ich bin ein großer Krimi Fan, da rennt man bei mir offene Türen ein. Genuine Unterhaltung mit Anspruch ist mir auch immer willkommen. Am liebsten sind mir allerdings Themen und Ideen, die ich noch gar nicht gedacht habe, die neu sind und eine große Diskussion anstoßen könnten.
Das dann zu verkaufen, obwohl es gar nicht gesucht wurde, ist dann mein Job.

Was war Ihr persönliches Lesehighlight im vergangenen Jahr und wieso hat es Sie begeistert?

Ich mochte 1793 von Niklas Natt och Dag, der eine fantastische Geschichte erzählt und zwei extravagante Hauptfiguren beherbergt, die in einem sehr besonderen Setting durch ein komplexes Geflecht aus politischen Intrigen und persönlichen Dramen laufen. Die eindringliche, bisweilen schockierende Sinnlichkeit dieses Buches hat mich sehr beeindruckt, dabei fühlte ich mich aufs wunderbarste unterhalten.

Zu guter Letzt: Können Sie, als Mentorin, unseren TeilnehmerInnen einen Rat mit auf den Weg geben?

SL: Schreiben ist eine besondere Art der Kommunikation und Kontaktaufnahme mit anderen. Beobachten Sie, was die Menschen um Sie herum bewegt und beschäftigt, nehmen Sie es auf, prozessieren Sie es und schreiben Sie, was Ihnen wirklich am Herzen liegt. Tauchen Sie so tief wie möglich ein in Ihre eigene Sprache, Ihre individuellen Figuren, Ihre einzigartige Geschichte.